Madame Lydia

Seit etwas mehr als 2 Wochen gehe ich wieder täglich in die Schule, nur diesmal nicht als Schülerin sondern als Lehrerin. Madame Lydia eben. Ehrlich gesagt, als Schüler unterschätzt man die Arbeit gewaltig, die hinter einer Schulstunde steckt. Wenn ich mal keine Hausaufgabe gemacht habe, war das als Schüler ziemlich egal, aber spontan eine Doppelstunde Englisch halten - ohne Vorbereitung – das funktioniert nicht! Die größte Herausforderung ist nämlich, dass die Schüler keine Englisch- oder Deutschbücher besitzen. Sie haben nur ein Heft in dem sie das Gelernte von der Tafel abschreiben. Und in einer Klasse mit 35 Schülern ist das nicht so leicht. Wenn die Ersten fertig sind haben die anderen noch nicht einmal ihr Heft ausgepackt. Außerdem regen sich meine Schüler immer auf weil sie meine Schrift nicht lesen können. Okay, ich weiß, dass ich nicht besonders schön schreibe, aber nachdem ich zum (gefühlten) hundertsten Mal erklärt habe, dass das ein „t“ ist und kein „f“, bin ich schon etwas frustriert. Und als ich im nächsten Heft schon wieder „gufen Morgen“ lese, beschließe ich beim nächsten Mal eine Kopie auszuteilen.

Eine brauchbare Kopiervorlage zu erstellen braucht zwar viel Zeit aber es lohnt sich: Man verliert keine Zeit beim abschreiben und kann gleich verschiedene Aufgaben zum Neu-Gelernten mit kopieren. Der Schock kam nur in der darauffolgenden Stunde: die Hälfte der Schüler hat den Zettel vergessen und die andere Hälfte hat einen zerknitterten unlesbaren Papierfetzen aus der Schultasche geholt. Also hole ich wieder die Kreide heraus und beginne wieder mit meiner Krakelschrift die Tafel zu verzieren. Dann wäre da noch die Sache mit den Namen. Ich habe 6 neue Klassen mit jeweils rund 35-40 Schülerinnen und Schüler. Das macht rund 200 Namen die ich lernen muss. Und Namen wie „Sahara Justance“ oder „Anaclet Emmanuel“ merkt man sich nicht so gut. Und dazu kommt, dass die Mädchen gefühlt alle 3 Wochen ihre Frisur wechseln.

Aber als frischgetaufte Lehrerin erlebt man auch schöne Momente. Wenn man zum Beispiel am Schulhof ganz begeistert von den Kleinsten mit „good morning“ begrüßt wird, schlägt jedes Lehrerherz höher. Gerade für meine jüngsten Schüler (rund 7 Jahre) musste ich lange überlegen wie ich den Unterricht gestalte. Einerseits will ich nicht zu viel schriftlich machen sondern eher spielen und singen aber ohne Englischbuch ist das nicht so leicht. Also habe ich viele Kärtchen und Bilder gemalt mit aufgehenden Sonnen und lachenden Gesichtern für „good morning“ und „I’m fine thanks“. In meiner jüngsten Volksschul-Klasse bleibt die Klassenlehrerin immer dabei und macht selbst auch fleißig mit weil sie auch Englisch lernen will. Das hat den praktischen Nebeneffekt, dass die Schüler ruhiger sind, denn die Lehrer hier greifen meistens strenger durch und achten mehr auf Disziplin und Ordnung als wir Volontäre. Aber mit bis zu 45 Schülern in der Klasse muss man wahrscheinlich auch härtere Konsequenzen setzen, wenn man die Kontrolle behalten will. Dieser Ordnungssinn ist schon so weit in den Schülern verankert, dass sie mich oft bitten einzelne Schüler zu schlagen oder vor die Tür zu stellen, nur weil sie zu laut waren. Ich habe mich gegen Körperstrafen entschieden, weil ich das einfach nicht übers Herz bring. Schüler schlagen das geht für mich nicht. Jetzt ist es halt immer ziemlich laut bei mir in der Klasse, aber dafür sind Magdalena und ich auch schnell zu den Lieblingslehrern der Schüler geworden. Wenn Ihr, liebe Leser, konstruktive Vorschläge habt wie ich ohne zu schlagen 35 energiegeladene Schüler disziplinieren kann, dann schreibt mir bitte einen Kommentar!

Schule im Kongo kann aber auch ganz anders sein. Wir haben nämlich gemeinsam mit der Schulsekretärin eine Schule für Gehörlose und Blinde besucht. Dort werden rund 50 Kinder von 6 Lehrern in Zeichensprache beziehungsweise Brailleschrift unterrichtet. Die Schule selbst wird privat geführt und ist für die Schüler kostenlos und daher immer auf Spenden angewiesen. In der Republik Kongo gibt es nur sehr wenig staatliche Schulen für beeinträchtigte Kinder und laut Schulleiter wurden sogar alle Lehrerausbildungszentren mit Schwerpunkt auf  Blinde und Gehörlose geschlossen. Daher kommen die meisten Lehrer der Schule aus dem Nachbarland, der Demokratischen Republik Kongo. Wir haben mit dem Schulleiter ausgemacht, dass wir regelmäßig mit den Schülern basteln oder spielen werden. Die Kinder freuen sich wenn man etwas mit ihnen unternimmt – egal ob man Zeichensprachen spricht oder nicht.

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Kommentare: 1
  • #1

    Oom K. (Samstag, 17 Oktober 2015 20:43)

    Je zou eens een klassikale ademhalingsoefening kunnen proberen aan het begin en/of halverwege de les. 10 seconden inademen, 10 seconden uitademen, en dat zo'n 15x (5 minuten) of 30x (10 minuten) achter elkaar. Fysiologisch gezien zou dat rustgevend moeten werken. Zelf naar jouw inzicht (uiteraard ;) ) te bepalen naar aanleiding van wanneer je scholieren het drukst zijn.