Kulinarik

Kulinarik

 

Diesen Blogeintrag widme ich ganz der kulinarischen Vielfalt des Kongos. Wie ihr euch, liebe Leser, sicher vorstellen könnt, unterscheiden sich sowohl Zutaten als auch Zubereitungsart erheblich von der mir vertrauten böhmisch-österreichischen Küche.

 

Irgendwie scheint sich das gesellschaftlich-kulturelle Leben des Kongos in der Nahrung widerzuspiegeln. Der Kongo, insbesondere Pointe-Noire ist ein Schmelztegel verschiedener Ethnien, Bevölkerungsgruppen und Einwanderer-ströme. Viele Kriegs-sowie Wirtschaftsflüchtlinge aus zum Teil noch ärmeren afrikanischen Ländern fanden aufgrund einer progressiven Einwanderungspolitik ihren Weg in den Kongo und haben natürlich ihre Lieblingsspeisen mitgebracht. Da gerade Pointe-Noire eine Hochburg der westlichen Ölscheichs ist, haben auch Hamburger, Pommes Frites und Sandwiches Einzug in den kongolesischen Speiseplan gehalten. So sieht man einen Kebap-Stand, der harmonisch von einem Senegalesen und einem Fastfood Restaurant flankiert wird. Einen McDonalds sucht man hier jedoch vergeblich. Ja ihr habt richtig gelesen: es gibt hier (wider erwarten) Kebap. Allerdings muss man sagen, dass kongolesischer Kebap (hier nach arabischer Tradition auch „Schawarma“ genannt) bis auf den Namen nichts mit seinem österreichischen Vertreter gemein hat. Das bei uns typische Kebapbrot wird durch eine Flade ersetzt und innen fand ich zu meinem Erstaunen neben Salat und Fleisch auch Pommes!

 

 

 

Von Franzosen und Kongolesen

 

So entstehen wie erwähnt ziemlich paradoxe Mischungen aus Lokalen. Innerhalb weniger Meter wechselt das Klientel von reicher Französin  mit Gucci-Sonnenbrille bis zu Straßenkehrer, der immer noch einen Fetzten vor dem Mund hat um den Gestank zu ertragen. Die eine, sitzend in ihrem glänzenden Allrad-Pick-Up, wird von ihrem Chauffeur direkt vor die spiegelnden Schwingtüren des 24/7 Lokals „the food factory“ kutschiert. Sie wirft ihre perfekt gestylten Locken in den Nacken, tritt in den auf ungute 20° gekühlten Raum und sieht sich zunächst einmal um. Das Lokal erstreckt sich länglich in die Tiefe und wird dominiert von einer langen Glastheke an der linken Seite. An der rechten Seite ist ein langer Tisch aus perfekt geschliffenem Ahornholz angebracht mit Barhocker aus Holz und Metall, die jedoch alle leer sind. Darüber hängt ein Spiegel, der der Bar einen noch größeren Eindruck verleiht. Die restliche Mauerfläche ist mit großformatigen Farbfotografien nach moderner Kunst verziert: Eine stilisierte Tomate auf weißem Hintergrund einmal abgelichtet von Oben und einmal von der Seite. Hinter der Theke stehen auf Designerregalen Designergläser und darüber kann man auf großen, von hinten beleuchteten Schrifttafeln das Speiseangebot entnehmen. Das Serviceprinzip des Restaurants entspricht dem eines „subway“-Lokals. Man wählt selbst die Zutaten für sein Sandwich, Crêpe, Burger, Brötchen oder was auch immer. Die vier einheitlich schwarz mit Firmenlogo gekleideten Angestellten bereiten daraufhin frisch das von der Französin bestellte Panini mit Schrimps und Blattsalat zu. Diese wiederum zuckt ihre Ledergeldbörse, entnimmt 4500 kongolesische Franc und reicht sie mit einem kühlen Lächeln der Bedienung. Mit einer lässigen Handbewegung verneint sie die Rechnung und verschwindet einigermaßen gestresst aus dem Lokal.

 

Hundert Meter weiter bindet der nach getaner Arbeit hungrige Straßenkehrer seinen bereits entleerten Handkarren an einem Pfosten fest und schlängelt sich zwischen zwei betonierten Mauern in einen kleinen Hinterhof. Zunächst nimmt er seinen Mundschutz ab und geht zu dem Plastikeimer, der auf einem kleinen Schemel in der Ecke steht. Am unteren Ende des Kübels ist ein kleiner Hahn angebracht, der einen dünnen Wasserstrahl zum Händewaschen gibt. Müde lässt er sich auf einem selbstgezimmerten Stuhl aus Sperrholz nieder, der neben einem dazu passenden Tischlein steht. Darauf hat der Besitzer eine Plastiktischdecke geklammert, die es der Bedienung erleichtert den Tisch abzuwischen. Im ganzen Hof stehen zirka 15 solcher Tische und fast alle sind besetzt. Während unser Herr auf die Bedienung wartet gibt es andere Gäste, die direkt zur überdachten Theke gehen und zum Mitnehmen bestellen. Hinter der Theke -ebenfalls aus Sperrholz und selbstgezimmert- stehen zwei fröhlich wirkende ältere Damen mit Kopftuch, die aus riesigen Töpfen Reis, Bohnen in Tomatensauce, gegrillten Fisch oder Gerichte, dessen Namen auf Deutsch nicht existieren, schöpfen. Gekocht wird in einer anderen Ecke des Hofes. Dort stehen abermals unter einem kleinen Dach vier Töpfe von 750cm Durchmesser jeweils auf einem Lagerfeuer. Eine Frau schiebt mit ihren bloßen Händen alle zehn Minuten die Holzscheiter weiter in die Mitte um eine gleichmäßige Hitze zu erhalten. Dazwischen rührt sie mit großen hölzernen Kochlöffeln in den dampfenden Kesseln. Eine andere Frau steht daneben vor einem selbstgemachten Grill. Eine halbe Metalltonne wurde von einem Schweißer mit Standbeinen versehen und darauf ein Rost gelegt. Die Tonne selbst ist mit Holzkohle gefüllt allerdings von so schlechter Qualität, dass sie anstatt zu glühen die meiste Zeit Flammen von sich gibt. Der Mann muss nicht aufstehen um auf die mit Kreide beschriftete Speisetafel neben der Theke zu schauen, er weiß schon was er will. Er bestellt einen „Ngok“ und „Reis Chap“. Die Bierflasche stellt ihm die Bedienung kurz darauf auf den Tisch, löst den Bierdeckel, aber lässt ihn auf der geöffneten Flasche liegen. Nach jedem Zug, den unser Mann nimmt, verschließt er sorgfältig die Flasche mit dem Bierdeckel damit sich keine Insekten in der Flasche verirren. Da stellt ihm die Bedienung einen gut gefüllten Teller mit Reis, gekochter Maniokwurzel, fertig zubereitetem Maniok und gebratenem Meeresfisch in Tomatensoße auf den Tisch. Das Besteck lässt er unangetastet liegen, denn er isst mit den Händen, aber er greift zur Schale mit „Piment“, einer Art selbst zubereitetem Sambal bestehend aus zerkleinertem, sehr scharfen Pfefferoni der mit Öl in einer Pfanne gebraten wurde. Zum Bezahlen geht er an die Theke. Die Preise der Gerichte stehen auf der Kreidetafel und die der Getränke weiß eh jeder auswendig, die muss man nicht auch noch wo aufschreiben. Er zahlt die 2500 CFA und verlässt das Lokal - ebenfalls ohne Rechnung - aber nicht ohne vorher nochmals die Hände abzuspülen.

 

Diesen krassen Gegensatz, diesen Zusammenstoß - oder besser gesagt – dieses Aneinander-vorbei-Leben zweier Parallelwelten finde ich so spannend und anziehend. Ein Zusammenstoß der beiden Welten findet ja nicht statt, denn genauso wenig, wie die Französin aus meinem (vielleicht etwas überspitztem) Beispiel jemals das senegalesische Restaurant betreten wird, wird der Straßenkehrer auch niemals in den Burgerladen Essen gehen.

 

 

 

Die Kartoffel

 

Die Kartoffel wird jedoch immer noch sehr stiefmütterlich behandelt. Der Vorschlag, für unsere Freunde wieder einmal österreichisch zu kochen, wird meistens dankbar angenommen und mit entsprechend großem Appetit erscheinen die Gäste. Wird dann aber eine Schale Petersil-Kartoffel oder Erdäpfelgulasch aufgetischt, blicken wir in lange Gesichter. Langsam haben wir uns daran gewöhnt, dass die meisten Kongolesen rund um die Kartoffel herum essen. Umso besser für Magda und mich denn als Österreicher sind wir ja „besessene Kartoffelesser“. Davon sind zumindest die Salesianerpatres überzeugt. Über diesen Sachverhalt macht sich der italienische Pater Valentino am meisten lustig. Immer wenn das Wort „Österreich“ im Zusammenhang mit „Küche“ fällt, packt er sein beschränktes Deutschvokabular aus, kräht „Karrtofffel, Karrrtofffel“ und freut sich dabei selbst am meisten. Ich glaube den Kongolesen fehlt es an Zubereitungskreativität bei der Kartoffel. Ich hab sie hier bisher nur in Form von Pommes, geviertelt und gekocht in einer „Suppe“ oder mit viel Majonäse als Salat gegessen. Wirklich schade denn von Bratkartoffeln, Püree, oder Kartoffelsalat bleibt mir nichts anderes übrig als zu träumen.

 

 

 

Beim Häuten der Ziege

 

Als ich zum ersten Mal eine kleine süße Ziege im Pfarrgarten an einem der Avocado-Bäume gebunden sah, war ich erst zwei Wochen lang in Pointe-Noire und noch sehr naiv. Ich habe sie gestreichelt und mich über das neue Haustier gewundert und als sie zwei Tage später verschwunden war, habe ich nicht einmal überrissen was geschehen war. So viele neue Eindrücke galt es zu verarbeiten, dass das Verschwinden einer Ziege keine inneren Fragen aufgeworfen hat.

 

Erst viel später habe ich herausgefunden, dass unsere Pfarrer die Gewohnheit haben, zu bestimmten Festen eine Ziege zu schlachten und diese anschließend genüsslich zu verspeisen. Lebendige Ziegen kann man hier ziemlich leicht kaufen, vor allem wenn man etwas außerhalb Pointe-Noire fährt zum Beispiel in die Dependance unserer Pfarre Côte Matève. Das Tier – egal ob Männchen oder Weibchen, ich hab hier schon beides geschlachtet – wird nicht sehr tierfreundlich an den Füßen zusammengebunden und so im Pfarrhof deponiert. Wenn es Glück hat kommt ein barmherziger Samariter vorbei, der die Füße losbindet, einen neuen Knoten um den Hals legt, es an besagtem Avocado-Baum festbindet und ihm eventuell noch eine Schüssel Wasser hinstellt. Bei meiner guten Tat musste ich allerdings feststellen wie viel Kraft in einem sich zu Tode fürchtendem Zicklein steckt. Zunächst reißt es einem fast zu Boden in dem Versuch so schnell wie möglich den äußersten Radius des Seiles zu erreichen um dann zitternd und mit den vom Verschnüren wackeligen Beinen stehen zu bleiben. Dann schaut es mit großen Kulleraugen seinen Henker an - ein herzzerreißender Anblick.

 

Die beiden Urteilsvollstrecker sehen in dem süßen, gehörnten Wesen auf vier Hufen wohl nichts anderes als ihr Mittagessen und gehen die Sache weniger emotional an. Der Messerführer und damit Hauptrichter ist von Beruf eigentlich Tischler, aber dürfte eine ordentliche Ausbildung à la congolaise erhalten haben. Das heißt nach ein paar Monaten „Dorf“ weiß der Kongolese alles, was er so im Alltag braucht. Neben Kochen und eben dem Schlachten von Ziegen kann man im Busch von Kräuterheilkunde und Jagd über Körbe flechten und Fischerboote schnitzen bis hin zu Geisteraustreibungen und Hexerei alles lernen. Wenn ich mich recht erinnere hat er sich mir als Medizinmann (oder war's nur ein Scherz?) vorgestellt. Er wird stets begleitet von seinem Gehilfen und Kumpel der wie er Ende Vierzig zu sein scheint.  Während der Meister sich von der Köchin Scarlenne einen ihrer vielen Arbeitspagnes (wisst ihr noch? die Stoffe, die man u.a. als Wickelrock verwendet…) als Schürze umbindet, gräbt der Gehilfe unter dem Vordach im Hof ein tiefes Loch in die Erde. Nun kommt die Ziege ins Spiel. Als ob sie den bevorstehenden Tod erahnt, wirft sie sich mit aller Kraft dagegen während ein enges Seil um die Hinterbeine geknotet wird. Unterdessen halte ich die Vorderpfoten und den Kopf damit die Wildgewordene ihre Henker nichts anhaben kann. Direkt über dem Loch an einem Holzbalken wird nun die Ziege kopfüber hinaufgezogen und auf Augenhöhe gut festgebunden. Ziemlich jämmerlich hängt nun das Tier mit den Hinterbeinen am Balken befestigt und meckert verzweifelt. Ich halte immer noch die Vorderpfoten um ein Drehen zu verhindern und hoffe auf ein schnelles Ende. Und tatsächlich, der Schlachter greift zu einem beilartigen Messer und holt aus. Das mit dem kurzen, schnellen Tod kommt allerdings nicht in seinem Plan vor. Während der Gehilfe die Hörner hält, schlägt er zu und durchschneidet nur die Kehle und die Luftröhre. Unter lautem Meckern überstreckt der Gehilfe den Kopf des Opfers damit das Blut in das vorbereitete Loch strömen kann. Plötzlich springt er zur Seite und lässt den Kopf los. Der Grund: die sterbende Geiß versprüht ihren Darm- und Blaseninhalt über uns drei. Die Ziege zuckt und schreit noch ein paar Minuten lang bis die Bewegungen langsamer und die Schreie immer schwächer werden. Ohne ein Wort zu sagen schauen wir drei zu wie die letzten Tropfen Blut aus der Öffnung im Hals herausströmen und die Augen starr und glasig werden. Ich habe plötzlich das Bedürfnis wie im Film die Augenlieder des Tieres zu schließen, tu es aber doch nicht. „Die lebt nicht mehr“, meldet sich der Meister nüchtern zu Wort und drückt seinem Gehilfen das Messer in die Hand um endgültig den Kopf abzutrennen. Dieser wird zur Seite gelegt, der Länge nach halbiert und dient den Schlachtern als Eintopf beziehungsweise die abgetrennten Hörner dienen als Trophäen. Der Meister und ich kümmern uns währenddessen um den restlichen Körper, der so leblos vom Balken baumelt. Gewappnet mit einem kleinen aber scharfen Messer beginnen wir kurz oberhalb des Sprunggelenkes quer das Fell einzuschneiden. Das Fell löst sich viel leichter als gedacht vom restlichen Körper. Zwischen Ziegenhaut und Muskelfleisch ist eine dünne Schicht aus weißem Fett und weißem Schaum (Proteine?) an der man nur mit dem Messer entlangfahren muss und die Haut löst sich. Viel schwieriger ist es an den Stellen an denen die besagte Schicht besonders dünn ist, wie an den Beinen oder bei Gelenken. Am Bauch angekommen, merke ich beim Schneiden, dass eine komische weiße Flüssigkeit über meine Finger rinnt.  Der Chef und ich werfen uns fragende Blicke zu bis mir einfällt, dass das die Muttermilch sein muss und irgendwo sicher ein Zicklein auf seine Geißenmutter wartet. Doch kein Mitleid – das ist hier fehl am Platz. Man darf allgemein nicht zu zimperlich sein, denn Blut und andere Körperflüssigkeiten der Ziege verteilen sich besonders gerne auf Gewand und Haut des Schlachters. Zu zweit ziehen wir also im Ganzen das Fell der Ziege ab. Nur dort, wo die Haut besonders eng an den Knochen aufliegt – also an den Beinen und im Nacken entlang der Wirbelsäule -  ist Fingerspitzengefühl gefragt. Da passiert es manchmal, dass das Fell reißt. Dies ist ohnehin nicht schlimm, weil es später mitsamt Innereien und Blut in das vorher frisch gegrabene  Loch verschwindet. Nun hängt also die enthäutete Geiß mit dem Kopf nach unten an einem Balken – ein merkwürdiger Anblick. Als nächstes wird mit einem gezielten Schlag der Brustkorb geöffnet und der Eingeweidesack kommt heraus. Wenn Gedärm, Magen, Lunge, Herz etc. einmal den Körper verlassen haben, bleibt nicht mehr viel über als ein vom Fleisch rötliches Gerippe, das den nunmehr leeren Bauch umarmt. Ganz gegen meine Erwartungen ist das eine ganz blutlose Angelegenheit. Jetzt beginnt also meine Arbeit. Während der Meister weiter an der Leiche hackt, öffne ich die Eingeweide und werfe Lunge und Nieren weg. Für mich interessant sind vor allem der Magen und der Darm. Der Inhalt von Darm und Magen kommt wie alles andere in das ausgehobene Loch im Boden. Die aufwändigste Arbeit ist das Waschen der Gedärme, die mit viel Wasser ausgeschwemmt werden und mit Daumen und Zeigefinger ausgekniffen werden. Nach ein oder zwei Waschdurchgängen schneide ich den Magen in kleine Stücke. Das ergibt kleine fetzenartige Lumpen, denn der Magen ist innen wie ein Fell behaart. Diese rolle ich palatschinkenartig zusammen und umwickle sie mit dem Dünndarm. Mittlerweile ist auch der Meister fast fertig und lässt mich zur Erheiterung aller Beteiligten den Fuß der hängenden Ziege mit der Manschette abhacken. Dieses Unterfangen ist gar nicht so leicht, weil man zugleich das Tier halten muss, damit man genug Spannung aufbaut und andererseits kräftig zuhauen sollte. Nach einigen Versuchen muss ich aufgeben, während der Profi mit einem gezielten, kräftigen Schlag das Bein abtrennt. Damit hat der Meister und sein Gehilfe seine Arbeit beendet. Beide nehmen als Entlohnung einige gute Stücke mit nach Hause und übergeben an Scarlenne, die Köchin. Sie übernimmt die restliche Zerkleinerung und viel wichtiger: die Zubereitung. Während die Rippen und Keulen oftmals gegrillt werden, kommt der Rest mit vielen Kräutern, Gemüsen und Gewürzen in einen Kochtopf und wird zu einer Bouillon verkocht. Besonders begehrt, sowohl von Pfarrer als Volontär, sind diese Magen-Darm-Wickel, die weder fettig noch trocken schmecken. Und bei den großen Festen der Pfarre (wir feierten zum Beispiel gerade wieder mal eine ewige Profess einer Klosterschwester) leeren die Gäste immer zuerst den Topf mit dem Ziegenbouillon.

 

 

 

Hommage an das Brot

 

Eine ganz besondere Beziehung führt dieses Land mit seinem Brot. Es gibt genau eine Sorte davon: ein längliches, innen flaumiges, baguette-artiges Weißbrot, das wohl mit den französischen Kolonialisten den Weg in den Kongo gefunden hat. Ich esse jeden Tag mindestens ein Stück, dass für umgerechnet 15 Eurocent an jeder Straßenecke zu kaufen ist. Jeden Tag? Ob mir das nicht schon beim Hals raushängt? Fragt ihr mich? Nein überhaupt nicht. Das Brot schmeckt nämlich zu jeder Tageszeit anders. Morgens nach der Messe wird immer ein Schüler zur Bäckerei um die Ecke geschickt um einen Sack mit 20 Broten zu holen. Zum Frühstück gibt's also warmes, von außen leicht knuspriges von innen flaumig-weiches Baquette. Zugegeben, manchmal wünscht man sich doch ein Müsli oder eine andere Abwechslung, aber als mir erklärt wurde, dass es in Sambia anscheinend überhaupt gar kein Brot gibt, ließ ich meine Kritik bleiben. Zu Mittag verändert sich der Geschmack des Brotes schon leicht, aber ich mags am liebsten abends. Dann ist es sowohl von innen als auch von außen weich, aber es wird nicht zäh zum Beißen wie österreichisches Baguette.

 

Das Brot wird gemacht in riesigen Mengen in Bäckereien, die nur diese Sorte Brot produzieren. Man bekommt zwar auch Vollkornbrot, Croissants etc. in europäischen Vierteln des Stadtzentrums, aber zu horrenden Preisen. Die kongolesische Variante des Baguettes bekommt man allerdings zu jeder Tageszeit und noch dazu gratis nach Hause geliefert. Ab sechs Uhr in der Früh beladen fahrende Händler ihre Scheibtruhen mit Brot und fahren so durch die Gassen. Die meisten haben auch Margarine und eine Wurst mit für all jene die das Brot gleich belegt kaufen wollen. Dabei schreien sie „Chaud“ so laut und schrill,  dass man sie schon hören kann, wenn sie erst in der Nachbargasse sind. „Chaud“ ist die Abkürzung von „Pain chaud“ was „warmes Brot“ bedeutet. Leider meint es der Brothändler zu gut mit uns und spielt so gleichzeitig unseren Wecker.

 

 

 

Highlights am Straßenrand

 

Ich glaub hier im Kongo kann jeder, wann immer er es will, seinen Verkaufsstand eröffnen. Wenn man entlang den Gässchen und Straßen geht sitzt in jedem Grundstück eine Frau die ihre selbstgemachten Köstlichkeiten anbietet oder essentielle Lebensmittelprodukte weiterverkauft. Überall kann man sogenannte „Baignets“ kaufen, also in Fett heraus gebackene krapfenartige Bällchen, deren Teig meist aus Mehl, Wasser, Hefe und Bananen bzw. Joghurt zusammengemischt wird. In Fett heraus backen ist wahrscheinlich die beliebteste Zubereitungsart im Kongo, denn auf dieselbe Art kann man gebackene Kochbananen, Maniok-Wurzeln und Süßkartoffeln genießbar machen. Mein absoluter Straßenrand-Favorit ist jedoch das eisgekühlte Joghurt, das in kleinen Säckchen verkauft wird, genauso wie Ingwersaft und ein johannisbeerartiger Saft. Man beißt ein Eck des Säckchens ab und saugt den tiefgefrorenen Inhalt heraus. Joghurt ist hier nicht gleich Joghurt, da allgemein keine frischen Milchprodukte verkauft werden. Es ist eine selbstgemachte Mischung aus Milchpulver, Zucker, Wasser und gekauftem Joghurt. Überall erhältlich sind außerdem Erdnüsse gebraten, gegrillt oder karamellisiert.

 

 

 

Mittwochs um 9

 

Mittwochvormittag habe ich unterrichtsfrei also nütze ich die Gelegenheit die kongolesische Küche noch besser kennenzulernen und helfe unserer Köchin Scarlenne beim Kochen. Es gibt entweder Fisch, Huhn oder Rind in allen Zubereitungsarten, jedoch vorwiegend gebraten, gegrillt oder als Bouillon. Faschiertes kennt man hier nicht. Ab und zu steht Schweinefleisch auf dem Speiseplan, ist jedoch teuer und nicht sehr beliebt. Meine Aufgabe beginnt meistens damit 10 Zwiebeln zu schälen und schneiden, aber ohne Schneidebrett. Traditionell sitzt die Hausfrau dazu in einem geflochtenen Korbstuhl dem „Sebilamba“ was so viel heißt wie „kann kochen“. Dabei bleibt genügend Zeit mit Scarlenne zu plaudern und nebenbei wird man über den neuesten Klatsch und Tratsch in der Pfarre informiert. Das Kochen hat allerdings auch anstrengende Seiten, wie  zum Beispiel die Zubereitung von  Fou-Fou. Das Fou-Fou Mehl (geriebene getrocknete Manioc-Wurzeln) wird in kochendes Wasser gegeben und muss mit der Hand zu einer harten Masse verarbeitet werden um anschließend daraus Knödel formen zu können. Die Köche hier finden aufgrund von Werkzeugmangel ganz kreative Lösungen bestimmte Küchengeräte zu ersetzen. Ich habe hier zum Beispiel gelernt Dosen mit einem Messer zu öffnen, Flaschen mit einer Gabel zu öffnen und  Eiweiß zu schlagen mit einem Löffel.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Serge (Montag, 13 Juni 2016 09:14)

    Hat eine Zeit gedauert, um wieder was zu lesen auf dem Blog, habs darum mit mehr Genuß und Spannung gelesen. Gut so!

  • #2

    Martina (Donnerstag, 16 Juni 2016 13:07)

    Danke, für den Ausflug in die Kulinarik Kongos - ui da bekomm ich an gscheiten Guster auf alles, so lecker!!

    Zur Brotgeschicte muss noch unbedingt hinzugefügt werden, dass ,chaud' heiß bedeutet und Lydia ihrer Schwester im Kongo erklärt haben, dass dies die Wettervorhersage ist, wenn am Morgen jemand durch die Straßen geht und ,chaud' ruft - es war auch wirklich heiß!
    Wir haben a bissl gebrauch um zu kapieren, dass diese Männer heißes Brot und nicht heißes Wetter haben!
    Merci for that Lydia- Mundele!